DER KINDERWALD ist ein Projekt das über den Umfang eines Innenarchitekturentwurfes für einen Kindergarten hinaus geht. Es ist eine ganzheitliche Auseinandersetzung mit der Beziehung von Innenarchitektur und Architektur und der Verantwortung gegenüber dem Einfluss auf das gesellschaftliche Umfeld und die Nutzung.
Natur und Bewegung bilden die zentralen Themen dieses Entwurfes. Ein Raum der Bewegung anregt und der spontane Bewegungsspiele motiviert, die um ihrer Selbstwillen ausgeführt wird und somit Vergnügen bereitet, die Eigenbewusstsein und Selbstbewusstsein aufbaut, selbstständiges und soziales Handeln fördert, so wie die Fähigkeit zur Kommunikation, Konzentration, Lernbereitschaft und Ausdauer. Bewegung verbindet die Innenwelt mit der Außenwelt eines Kindes, durch sie entsteht der Kontakt zur Umwelt.
Kinder nehmen die Welt weniger mit dem Kopf wahr, viel mehr über die Sinne, über Tätigkeiten und den Körper. Durch ertasten, ansehen und riechen wird das Gebäude spielerisch und natürlich zu einem festen Bestandteil des Lernprozesses. Diese sinnlichen und körperlichen Erfahrungen werden maßgeblich verstärkt durch das Miteinander, durch gegenseitiges Anregen und Nachahmen, so wie durch das von einander Lernen. Die Gemeinschaft ist nicht nur pädagogische Grundlage eines Kindergartens, sie ist vor allem Grundlage für das Leben in der Gesellschaft und somit das dritte zentrale Thema dieses Entwurfes.
Das markanteste formale Symbol für Gemeinschaft bildet der Kreis, eine klare und besonders für Kinder einfach zu begreifende Form, die täglich in einer Kindergartengruppe als Stuhlkreis erlebt wird, der die Gruppe an einem Ort zusammen führt, in dem sich alle gemeinsam befinden und zugehörig fühlen und gemeinschaftliche Aktivitäten stattfinden. Dieser Kreis ist im Grundriss eindeutig ablesbar und übertragt die Botschaft der Gemeinschaft nach außen. In Form eines Podestes wird er zu einem besonderen Ort und fungiert als Treffpunkt, Spielebene und Bühne.
Mit Hilfe der Assoziation eines Waldlaufes entstand der Ansatz sich rennend und springend, spielend und kletternd durch eine „raumbildende Natur“ zu bewegen. „Raumbildende Natur“ bezeichnet eine Architektur die von innen nach außen entwickelt ist und die ihren gestalterischen Anspruch weniger in der Gebäudehülle findet, sondern vor allem in der Qualität des Raumes den sie schafft, der Innenarchitektur.
Der Baum als Stütze und das Stützensystem als Wald bildet das Tragwerk in einer abstrahierten, plakativen Formsprache. Vorlage hierfür ist das L-System, entwickelt von dem Biologen Aristid Lindenmayer, welches das organisierte Wachstum „höherer Pflanzen“ mathematisch beschreibt und mit Hilfe dessen sich baumartige Strukturen entwickeln lassen, deren Gestalt jeweils abhängig von der Anzahl der Elemente, ihrer Länge und eines Winkels entsteht. Das „Blätterdach“ bildet ein System aus pneumatisch stabilisierten, lichtdurchlässigen ETFE-Folienkissen, wodurch der Raum mit natürlichem Licht von oben versorgt wird und die daraus entstehende Schattenbildung die Assoziation eines Waldes unterstützt.
Das Entwickeln eines in den Kindergartenalltag integrierten Geländes fördert indirekt Bewegung bei täglichen Abläufen und motiviert durch zusätzlichen Reize. Das Gelände umfasst das gesamte Gebäude in Form von Höhenunterschieden, die bewusst mit Hilfe von behindertengerechten Rampen überwunden werden und auf Treppen verzichten. Ausgehend von Norden entwickelt sich ein Höhenunterschied von 1m nach Süden, der durch höhenversetzte Bereiche, verbindende Rampen, Podeste und Bodenwellen ein Gelände schafft. Der räumliche Aufbau der Funktionsbereiche und Zonen orientiert sich am Kreis. Der Gemeinschaftsbereich übernimmt die Erschließung und Ordnung des Gebäudes und bildet einen zentralen, kommunikativen Ort.
Die Gruppenräume liegen nebeneinander oberhalb der Aktivzone im Süden und übernehmen den Umgang von Höhenunterschieden in Form von Spielzonen. Sie sind für weniger aktive Spiele entwickelt, wie Malen und Basteln, Gesellschaftsspiele, Puzzeln, bodennahe Spiele mit Autos und Bauklötzen und vieles mehr. Jeder Gruppenraum beherbergt zudem eine eigene Ruhezone, jedoch unterscheiden sie sich in ihrer Zonierung und Möblierung ausschließlich durch ihre Farbgebung und Symbole, die auf Grundlage der Jahreszeiten basiert. Farbe bestimmt vor allem den Boden, um seine lebendige Formenvielfalt zu unterstreichen, und setzt zusätzliche Akzente durch Textilien. Das dominierende Material des Gebäudes ist regionales Holz, das dem ökologischen Anspruch an das Projekt entspricht und dem Entwurfsgedanken gerecht wird die Natur in den Kindergartenalltag zu integrieren.
Die Innenarchitektur, die zur „raumbildenden Natur“ und somit zur Architektur wird, schafft vor allem Raum zur Entfaltung, zum Spiel, zum Entdecken und Raum für Fantasie. Sie verbindet Natur und Bewegung, ohne die Natur eins zu eins abzubilden und ohne die Bewegung als Pflichtprogramm vorzuschreiben, aber mit dem Hintergrund, dass Kinder Risiken brauchen um sich entwickeln zu können.